Begutachtung – Bundesgesetz, mit dem das Schulunterrichtsgesetz, das Pflichtschuler haltungs-Grundsatzgesetz und das Schulpflichtgesetz 1985 geändert werden; Begutachtungs und Konsultationsverfahren; GZ: 2025-0.535.977
Allgemeines
Die Österreichische Gesellschaft für Schule und Recht teilt mit, dass gegen den gegenständlichen Gesetzesentwurf kein Einwand besteht.
Einzelne Bestimmungen bzw Formulierungen
Hinsichtlich einzelner Bestimmungen bzw Formulierungen im vorliegenden Gesetzesentwurf wird dennoch Folgendes angeregt:
- Zu § 44 Abs 7 SchUG, wo eine Suspendierung auch mit weniger als vier Tagen bemessen wer den kann: Durch derart kurze Suspendierungsmaßnahmen werden die gesetzlichen Überlegungen einer echten Gefährdung durch einen Schüler als Grundlage für eine Suspendierung unterlaufen, da diese Maßnahme dann doch eher als eine – in den Erläuterungen ausdrücklich ausgeschlossene – pädagogisch-erzieherische Maßnahme im Sinne einer cool-down-Phase mit Argumenten einer Ge fährdung versehen unzulässig eingesetzt werden kann.
- Es wäre legistisch übersichtlicher, § 44 Abs 8 SchUG im Hinblick darauf, dass drei getrennte Regelungsinhalte vorliegen, auf drei Absätze aufzuteilen (also: § 44 Abs 8 bis 10 SchUG). Abs 8 hätte zu umfassen: „Suspendierte Schülerinnen … bekannt zu geben.“; Abs 9: „Die Schülerin … möglich wäre.“; Abs 10: „Wenn Erziehungsberechtigte … zu setzen.“.
- Es wird eine Ergänzung des § 44 Abs 8 SchUG dahin angeregt, dass die dort umschriebene Mit teilung bzw Bekanntgabe „in schriftlicher Form“ vorzunehmen ist. Es wäre wohl auch noch klarer herauszustellen, dass besagte Mitteilung bzw Bekanntgabe sowohl gegenüber dem Schüler als auch den Erziehungsberechtigten zu erfolgen hat. Ferner wäre wohl rechtspolitisch anzudenken, dass ein verpflichtendes erstes Gespräch mit dem Schüler und den Erziehungsberechtigten stattzufinden hat, da andernfalls – vor allem vor dem typischen sozialen und intellektuellen Hintergrund der Beteilig ten – die Motive und Ziele der Erziehungsbegleitung nicht hinreichend vermittelt werden können.
- Nach den Erläuterungen soll es zulässig sein, dass die Suspendierungsbegleitung allenfalls sogar vollständig online erfolgt. Abgesehen davon, dass die Erfolgschancen einer derartigen Suspendie rungsbegleitung wohl als äußerst gering einzustufen sein werden, sollte – wenn eine solche Lösung rechtspolitisch wirklich gewünscht wird – dies im Gesetz expressis verbis klargestellt sowie präzi siert werden, unter welchen Voraussetzungen eine Suspendierungsbegleitung online erfolgen kann bzw muss. Dies könnte wie folgt formuliert werden: „Für den Fall, dass aufgrund der Gefahr im Verzug ein Unterricht vor Ort nicht möglich ist, kann auch ein ortsungebundener Unterricht einge richtet werden.“
- Dass der in § 44 Abs 8 Z 2 lit a SchUG vorgesehene Förderplan – wie in den Erläuterungen an gesprochen – mit der Formulierung „sozialpädagogische oder diesen vergleichbare Maßnahmen“ auch außerschulische Angebote umfassen kann, sollte ausdrücklich in die Gesetzesbestimmung aufgenommen werden.
- In § 44 Abs 8 Z 2 lit b SchUG (wo im Übrigen auch der Verweis nicht „lit. a.“, sondern „lit. a)“ zu lauten hätte) wird – auch unter Berücksichtigung der Erläuterungen – nicht klar, welchen Inhalt und Zweck die zu absolvierenden „Unterrichtseinheiten“ haben sollen. Schon angesichts ihrer zeit lichen Beschränktheit und der Heterogenität der zu unterrichtenden Gruppe können und wollen sie sichtlich keine vollständige „parallele“ Stoffvermittlung in allen Fächern bieten. Insofern wird an geregt, die Bestimmung dahin zu ergänzen, was Sinn und Inhalt dieser Unterrichtseinheiten sein soll.
- Unklar ist die Anordnung in § 44 Abs 8 drittletzter Satz SchUG, dass der Schüler berechtigt ist, sich während der Suspendierung über den durchgenommenen Lehrstoff regelmäßig zu informieren. Ist damit ein Rechtsanspruch gegenüber den Lehrpersonen gemeint? Wenn ja, in welcher Weise haben diese den an sie herangetragenen Informationsbegehren zu entsprechen? Ist damit ein An spruch auf Herausgabe schriftlicher Unterlagen verbunden? Es wird daher angeregt, die Bestim mung zu präzisieren.
- Zu § 44 Abs 8 vorletzter Satz SchUG: Im Halbsatz „soweit eine Beurteilung wegen der Dauer der Suspendierung sonst nicht möglich wäre“ möge das Zeitwort „wäre“ durch „ist“ ersetzt werden, denn bei dem angesprochenen Sachverhalt ist eine Feststellungsprüfung tatsächlich verpflichtend vorgesehen.
- In § 44 Abs 9 SchUG wird § 33 Abs 2 lit e als Grund für ein Perspektivengespräch für Schüler der zumindest neunten Schulstufe genannt. In dieser zitierten Bestimmung ist aber auch der Wider ruf der vorzeitigen Aufnahme in die Volksschule bzw die Abmeldung vom Besuch der 1. Schulstu fe im Sinne des § 7 Abs 8 SchPflG genannt, weshalb diese Zitierung nicht mit dem Inhalt des neuen Absatzes zusammenpasst und zu Missverständnissen führen kann.
- Zu § 44 Abs 9 letzter Satz SchUG: Dass bei der Abmeldung eines Schülers bis zur 9. Schulstufe ein Perspektivengespräch geführt werden „kann“, ist ohne nähere gesetzliche Bestimmung, wann ein solches eingesetzt werden soll, eine Leerformel (unbestimmtes Ermessen). Die Ausführungen dazu in den Erläuterungen erscheinen zu wenig bindend, denn Gespräche beim Ausscheiden eines Schülers können immer sinnvoll sein und können auch auf Grund der derzeitigen Rechtslage frei willig gemacht werden, ohne dass sie im Gesetz ausdrücklich erwähnt werden.
- Zu § 48 Abs 2 SchUG: Es sollte eingefügt werden, dass die Verständigungspflicht an die Kin der- und Jugendhilfe dann erfolgen soll, wenn die Erziehungsberechtigten ihre Pflichten in „wichti gen schulischen“ Angelegenheiten offenbar nicht erfüllen, denn bei der derzeitigen Formulierung könnten auch geringere und auch außerschulische Pflichtverletzungen mitumfasst sein.
- In § 48 Abs 4 Z 2 SchUG müsste es statt „und Schülern die“ heißen: „und Schülern, die“.
- Die in § 48 Abs 4 Z 3 SchUG vorgesehene Informationsverpflichtung an „den Sicherheitsbeauf tragten der örtlichen zuständigen Polizeidienststelle“ ist mangels dessen Kenntnis in der Schulbe hörde und immer wieder wechselnden Verantwortlichen nicht leicht klar festzustellen und bedeutet einen Erhebungsaufwand durch die zuständige Schulbehörde. Der Schulbehörde sind nicht einmal immer die „jeweils zuständigen örtlichen Polizeidienststellen“, die immer wieder in ihren Zustän digkeiten verschoben werden, ohne Verwaltungsaufwand klar zuordenbar. Daher sollte eine Infor mation an die Landespolizeidirektion genügen, die diese dann an die zuständige Stelle weitergibt.
- Zu § 49 Abs 2 SchUG: Auf Grund der Erfahrungen aus der Praxis mit der Antragstellung durch die Schulkonferenz wird ausdrücklich begrüßt, dass der Antrag auf Schulausschluss nun vom Schulleiter gestellt wird. Bei den Auswirkungen wird dann jedoch mitzuberücksichtigen sein, dass sich die Zahl der Antragstellungen auf Schulausschluss erhöhen wird, da sich der Aufwand für die Einberufung der Schulkonferenz und deren Abstimmungsverhalten durchaus bremsend auf die Antragstellung ausgewirkt hat.
- Zu § 49 Abs 5 SchUG: Die Regelung, dass ein Ausschlussbescheid einer Schulbehörde durch einen Antrag des Schülers aufgehoben werden können soll, möge nochmals hinterfragt werden, da hier wiederum ein Bescheidverfahren mit neuem Verwaltungsaufwand eröffnet wird und wohl in nur seltenen Fällen zur Anwendung kommen wird, da ein Schüler, der von einer Schule ausgeschlossen wurde, wohl nur schwerlich wieder an dieser Schule eine positive Ausbildungssituation vorfinden wird.
- Zu § 80b SchUG: Es wird bemerkt, dass in mehreren Bundesländern (so etwa in der Steiermark) die Bezirksverwaltungsbehörden in ihrer Eigenschaft als Strafbehörden jede Schulpflichtverletzung nach dem SchPflG als Dauerdelikt behandeln. Das hat in extremis zur Konsequenz, dass es für ein Jahr Schulbesuchsverweigerung nur einmal eine Strafe gibt, bzw zumindest dass alle (immerhin jeden dritten Tag anzuzeigenden) Verletzungen bis zur Rechtskraft des Straferkenntnisses bzw – bescheides als ein Delikt gelten. Das kann für die Delikte nach § 80b Abs 2 SchUG nicht gewollt sein, daher sollte der Gesetzgeber dies auch expressis verbis festlegen bzw zumindest in den Erläu terungen darauf hingewiesen werden. Der Ausschluss des Dauerdelikts sollte auch bei dem – gleichfalls geänderten – § 24 Abs 4 SchPflG verankert werden.
- Zu § 82i SchUG: Der Aufwand, bei einem Perspektivengespräch verpflichtend zwei Personen einsetzen zu müssen, erscheint bei einem Gespräch, das angesetzt werden „kann“, für die Schule sehr aufwändig zu sein. Noch dazu handelt es sich hier um eine Übergangsbestimmung und in der erst ab 1.9.2026 geltenden Regelung des § 44 Abs 9 SchUG sind nicht verpflichtend zwei Personen vorgesehen. Auch dort verpflichtend zwei Personen einzuführen, wird wegen dieses Aufwandes nicht empfohlen.
Für den Vorstand
Univ.-Prof. DDr. Dr. h.c. Bernd Wieser
Referent für Gesetzesbegutachtungsverfahren
Download: ÖGSR-Stellungnahme Nr 8
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